Sandra del Pilar

„Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren“

Ausstellung von Sandra del Pilar im Museum Wilhelm Morgner, Soest
Eröffnung: 25. Mai 2025, 11 Uhr
Laufzeit: 25. Mai – 24. August 2025
Ort: Museum Wilhelm Morgner & Haus zum Spiegel, Soest

Mit dem eindringlichen Satz „Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren“ aus Bertolt Brechts Gedicht An die Nachgeborenen (1934-38) eröffnet die deutsch-mexikanische Künstlerin Sandra del Pilar ihre neue Ausstellung im Museum Wilhelm Morgner in Soest. Die Präsentation knüpft konzeptionell und thematisch an ihre Retrospektive Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten an, die 2024 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zu sehen war. Beide Ausstellungen – in enger Zusammenarbeit mit Dr. Annette Werntze, der Leiterin des Soester Museums und Thomas Bauer-Friedrich, dem Direktor des Museums in Halle konzipiert – greifen zentrale gesellschaftspolitische Fragen auf und verhandeln diese mit den Mitteln der Malerei, Erinnerungskultur und künstlerischen Reflexion. Die Soester Ausstellung erweitert diesen Diskurs um aktuelle Werkkomplexe, die insbesondere auf jüngste Entwicklungen in den USA reagieren und globale Zusammenhänge sichtbar machen.

Hier können Sie den Flyer zur Ausstellung herunterladen

Brisante Themen von globaler Relevanz

Der Ausstellungstitel trägt eine besondere Aktualität in sich. Brechts Gedicht thematisiert eine Welt im Umbruch, eine Zeit, in der Demokratie und Freiheit zunehmend auf dem Prüfstand stehen. Sandra del Pilar nähert sich dieser Fragilität aus persönlicher Perspektive und führt den Gedanken weiter, indem sie sich mit der aggressiven Rhetorik Donald Trumps auseinandersetzt, etwa wenn er den Golf von Mexiko in den „Golf von Amerika“ umbenennt, Mexikaner als Verbrecher diffamiert oder an eine fast vergessene Geschichte erinnert: die gewaltsame Aneignung weiter Teile Mexikos durch die USA im 19. Jahrhundert. Diese Auseinandersetzung bleibt jedoch nicht auf die USA beschränkt. Vielmehr spürt die Künstlerin transhistorischen und transnationalen Verbindungen nach, die unsere Gegenwart mit kolonialen und postkolonialen Machtverhältnissen durchziehen.

 

Neue Werkserien

Neben zentralen Arbeiten der Hallenser Retrospektive werden in Soest zwei neue Werkserien gezeigt, die erstmals (in Deutschland) präsentiert werden:

  • „Malintzin“ – Zwei Künstlerbücher widmen sich der kritischen Auseinandersetzung mit eurozentrischen Geschichtsnarrativen zur Eroberung Mexikos. Sandra del Pilar macht die kolonial geprägte Perspektive dieser Überlieferungen sichtbar und entwirft ein fiktives, weiblich konnotiertes Narrativ zur Eroberung Mexikos, das sich aus indigenen Bildquellen – insbesondere Codices – speist. Die Figur der Malintzin (La Malinche), oft als Verräterin oder Opfer rezipiert, erscheint hier als strategisch handelnde Akteurin in einem komplexen kolonialen Gefüge. Die Werke eröffnen einen vielschichtigen Dialog zwischen visueller Kultur, Erinnerung und „kritischem Fabulieren“ (Saidiya Hartman).
  • „Erinnerungen an morgen“ – Diese bisher unveröffentlichte Werkreihe beschäftigt sich mit imperialen Rhetoriken und geopolitischen Visionen des so genannten Trumpismus. Del Pilar begegnet ihnen mit analytischer Schärfe, visuell eindrücklich und zugleich poetisch. Subtiler Humor zieht sich durch die Serie, etwa wenn sie als Reaktion auf Trumps Umbenennung des Golfs von Mexiko mehrere US-Bundesstaaten mit fiktiven Nahuatl-Namen versieht – Texas wird zu „Atltepetl“, Kalifornien zu „Atzlanatl“, New Mexico zu „Hueytlalpan“. Diese erfundenen Namen, die dem Nahuatl (der lingua franca des alten Mexiko) entstammen, verweisen auf indigene Sprachen und Kulturen, die trotz Kolonialisierung bis heute lebendig sind.

Auch die Werkgruppe „Soldados“ greift diese Themen auf: Mexikanische und US-amerikanische Soldaten aus dem Krieg um Texas (1846–1848) begegnen sich hier nicht als Feinde, sondern als verletzliche junge Männer – vereint durch ihre verwundbare Körperlichkeit. Andere Werke wie „Das Ungewollte“ bestechen durch eine sanfte, beinahe widersprüchliche Schönheit, die selbst schwere Themen mit Leichtigkeit durchdringt und Hoffnung evoziert – auf eine Welt, die sich ihrer Brüche bewusst bleibt und dennoch nach neuer Ordnung sucht.

 

Postkonzeptuelle Malerei mit sinnlicher Tiefe

Sandra del Pilars Malerei ist tief verwurzelt im politischen Denken und der Auseinandersetzung mit kollektiver wie individueller Erinnerung. Ihre Werke verbinden figurative Malerei mit installativen Elementen, dokumentarischen Bezügen und kunsthistorischen Referenzen. Sie arbeitet mit transparenten synthetischen Fasern, durch die sich mehrschichtige Bildräume ergeben. Je nach Standpunkt verändern sich die Motive – Sehen wird zum körperlich erfahrbaren Prozess. Damit widersetzt sich del Pilar bewusst der digitalen Reproduzierbarkeit und setzt dem virtuellen Raum das sinnlich Unmittelbare entgegen.

 

Offenes Atelier im Haus zum Spiegel

Ein besonderes Element der Ausstellung ist die Möglichkeit eines Atelierbesuchs im nahe gelegenen Haus zum Spiegel – einem der wenigen erhaltenen barocken Steinbauten in Soest, das nach mehrjähriger Restaurierung erstmals künstlerisch genutzt wird. Hier hat Sandra del Pilar ihr neues Atelier bezogen. Während der Ausstellungszeit öffnet sie jeden Donnerstagnachmittag von 17:00 – 19:00h ihre Türen für das Publikum. Besucherinnen und Besucher erhalten dabei nicht nur Einblick in zusätzliche Werke, sondern auch in den Entstehungsprozess selbst – mit Skizzen, Werkmaterialien und Archivstücken. Es ist ein seltener Einblick in den sonst verborgenen Raum künstlerischen Arbeitens. Der Besuch im Haus zum Spiegel ist im Museumseintritt enthalten.

 

Kuratorische Leitung

Die Ausstellung wird von Dr. Manja Wilkens kuratiert, deren konzeptueller Ansatz die Verknüpfung von Kunst, Geschichte und politischer Reflexion betont. Sie war auch Kuratorin der Retrospektive von Sandra del Pilar in Halle und verantwortet die inhaltliche und organisatorische Verbindung beider Ausstellungen.

 

Begleitprogramm

donnerstags, 16:00–19:00 Uhr
Offenes Atelier von Sandra del Pilar im Haus zum Spiegel, Jakobistraße 13

01.06.2025, 12:00 Uhr
Öffentliche Dialog-Führung mit Drs. Sandra del Pilar, Manja Wilkens & Annette Werntze

04.06.2025, 18:00 Uhr
Öffentliche Führung für Jugendliche mit Drs. Sandra del Pilar, Manja Wilkens & Annette Werntze

05.06.2025, 17:30 Uhr
Öffentliche Dialog-Führung durch die Ausstellungen „Westfarbe VI“ & „Sandra del Pilar“ mit Juliane Rogge (SKK) & Dr. Annette Werntze (MWM)

11.06.2025, 19:00 Uhr
Vortrag „Bilderkrieg und Krieg der Bilder“ – Michael Ebert, Fotograf, Hochschuldozent, Kurator, Autor

14.06.2025, 15:00 Uhr
Öffentliche Dialog-Führung mit Drs. Sandra del Pilar & Manja Wilkens

03.07.2025, 19:00 Uhr
Vortrag „Von der Heldin zur Hure und zurück. Malinche in Mexiko“ – Dr. Sandra del Pilar

Während der Öffnungszeiten
Museumsrallye für Jugendliche, entwickelt vom Jugendbüro Soest. Ein Projekt von Jugendlichen für Jugendliche

  • Teilnahme an Vorträgen: kostenlos
  • Teilnahme an Führungen: 5 EUR pro Person
  • Buchung von Führungen: Tel. 02921 1031131 / 1031130
  • Eintritt am 1. Sonntag im Monat: frei

Stadt Soest
Am Vreithof 8
59494 Soest

Telefon:  02921 / 103-0
Fax:         02921 / 103-9999
E-Mail:    post@soest.de

Letzte Aktualisierung
22.05.2025 | 13:35 Uhr