Der Titel „Die Erben Wilhelm Morgners“ bezieht sich auf den expressionistischen Maler Wilhelm Morgner (1891-1917), der in Soest sein Schaffenszentrum hatte und mit knapp 27 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel. Wilhelm Morgner, wie so viele Künstler, die in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts geboren wurden, wuchsen auf in einer Welt im Umbruch. Das allgemeine Lebensgefühl der Menschen war geprägt von dem Gefühl, am Ende einer langen Epoche angekommen zu sein, die in eine allgemeine Krise mündete. Die rasante Entwicklung der Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Psychologie, die Entstehung einer modernen Industriegesellschaft bei gleichzeitig verkrusteten ständegesellschaftlichen Strukturen, der sich immer aggressiver gebärdende Nationalismus, der Glaube an einen endlosen Fortschritt - all dies kam zusammen, um den Menschen der Jahrhundertwende das Gefühl zu geben, in einer Wendezeit zu leben, die nach neuen Lösungen verlangte.
Seine Kunst in seiner Zeit ist der Ausgangspunkt für eine Einladung an heutige Künstlerinnen und Künstler, sich mit dem Schaffen dieses außergewöhnlichen Malers zu beschäftigen.
Aber was haben Morgner und seine Kunst mit uns heute zu tun?
Auch unsere heutige Welt ist bedroht, auch wir empfinden unsere Gegenwart als die einer Krise. Wie damals haben wir heute das Gefühl, dass eine Epoche zu Ende gegangen ist, die zumindest in Europa lange Zeit durch materiellen Fortschritt und andauernden Frieden gekennzeichnet war. Klimawandel, Krieg in Europa, Globalisierung, Digitalisierung sind nur einige der Aspekte, die zeigen, dass auch unsere heutige Welt im Wandel begriffen ist.
Aber kann die Kunst helfen, Orientierung zu geben? Kann sie Fragen mit ihren Mitteln neu aufwerfen und zum Nachdenken anregen? Kann sie in den gesellschaftlichen und politischen Raum hineinwirken? Kann sie die Welt ein wenig besser machen, indem sie Widerstand leistet, Alternativen aufzeigt?
Künstlerinnen und Künstler unserer Zeit sind aufgerufen, sich als Erben Wilhelm Morgners in dem Sinne zu verstehen, dass sie ebenfalls versuchen, mit Hilfe ihrer Kunst Antworten auf die drängenden Probleme unserer Gegenwart zu finden - als Propheten und Sinnsucher, als Erbauer neuer utopischer Welten, als kritische Zeitzeugen. Morgner und die expressionistischen Künstler hatten dies auf ihre Art in ihrer Zeit und mit neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln versucht. Wir müssen heute andere Wege finden - auch mit Hilfe einer neuen Kunst und neuen Ausdrucksmöglichkeiten.
Gliederung der Ausstellung:
Die Kunstwerke sind nach inhaltlichen Gruppen zusammengefügt. Wo immer es möglich ist, werden Bilder von Wilhelm Morgner zum Vergleich hinzugefügt. Die Gruppen sind:
A Künstlerische Dialoge mit Wilhelm Morgner
1. Annäherungen an Morgner und seine Kunst
2. Die Welt mit den Augen eines Künstlers sehen – Kunst hinterfragt Möglichkeiten
B Kunst reagiert auf die aktuelle Krisenstimmung
3. Krieg, Zerstörung, Tod: Kunst als Mahnerin und Hoffnungsträger?
4. Ausbeutung der Natur, Klimawandel – eine Welt im Umbruch! Kann die Kunst Hoffnung geben?
5. Künstliche Intelligenz und virtuelle Realitäten – eine neue Chance für die Kunst?
6. Staatsgewalt, Ausgrenzung und Widerstand – Kunst prangert an!
C Kunst hilft bei der Suche nach dem eigenen Standort
7. Weltängste und Hilfslosigkeit angesichts globaler Krisen und Katastrophen – wo stehen wir und wie kann Kunst helfen, den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren?
8. Selbstbefragung und Rückbezug auf das eigene Ich - wo stehe ich in der Welt?
9. Leben ist Veränderung! Perspektivlosigkeit führt zu Stillstand!
D Kunst schafft neue Welten
10. Neuerschaffung der Welt durch Kunst – eine neue Ordnung aus elementaren Kräften?
11. Licht ist Energie und Symbol für Geistiges
Das weitere Rahmenprogramm lautet wie folgt:
- Die Verleihung des Simplizissimus-Preises wird am Sonntag, 30. April 2023, ebenfalls im Museum Wilhelm Morgner stattfinden. Zu diesem Anlass wird auch die Publikation „Der Morgner“ der in der Ausstellung gezeigten Werke präsentiert.
- Der Publikumspreis zu der Ausstellung wird am Sonntag, 21. Mai 2023 um 11 Uhr verliehen werden.