Diesen Status verdankt es der beiläufigen Erwähnung in einer Schenkungsurkunde vom 20. Mai 1272 zugunsten des Dominikanerinnenklosters Paradiese, deren weiterer Weg vor den beiden Bürgermeistern, dem Rat und der Gemeinschaft der Soester Bürger im Text ausdrücklich benannt wurde: „Diese Urkunde wird in der Bürgerkiste (cista burgensium) in Soest verwahrt.“
Diese „Kiste“ als Urform des Soester Stadtarchivs ist sicher älter als das zufällige Datum der Ersterwähnung und steht im Zusammenhang mit der „Kommunebildung“: Im 12. und 13. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt von Siedlungskernen hin zu einer politisch verfassten bürgerlichen Gemeinde, mit eigenem Siegel, mit Rat, Bürgermeister, Rathaus, Stadtrecht, und - als zwangsläufige Folge - mit zunehmender Schriftlichkeit. Und für dieses Schriftgut brauchten die Soesterinnen und Soester nun ein Archiv.
In dieser Kiste werden viele der heute berühmten Ikonen der Stadtgeschichtsforschung verwahrt worden sein, so etwa
-
Die älteste bis heute in Soest verwahrte Urkunde von 1166. Inhalt: Erzbischof Rainald von Dassel überlässt dem St.-Patrokli-Stift ein Waldstück
-
Privilegierungen des Soester Hospitals (Papst Innozenz 1216, Erzbischof Engelbert 1222)
-
Die Alte Kuhhaut (1225), die erste verschriftlichte Fassung des Soester Stadtrechts
-
Die Ratswahlordnung (1260)
…und wenige Jahre später
-
Kauf der Stadtvogtei vom Grafen von Arnsberg, Erwerb erster Hoheitsrechte im Umland (1279)
-
Das berühmte Nequambuch (um 1315 angelegt), das die Bestrafung Kleinkrimineller regelt und herausragende Buchmalereien beinhaltet.
-
Die Schrae, das Soester Stadtbuch (ab Mitte 1360-er Jahre)
Das Archiv verdankt seine Schätze natürlich der großen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bedeutung der Stadt Soest. Hinzu kam, dass weder Stadtbrände noch Kriege den historischen Beständen nennenswerte Schäden zufügten. Im Zweiten Weltkrieg beispielsweise wurden die wertvollen Unterlagen nach Neuhaus und Wamel, also Dörfer am Arnsberger Wald, ausgelagert.
Im Mittelalter und bis weit ins 18. Jahrhundert hinein diente das Archiv vornehmlich der Rechtssicherung. Erst dann wurde es zunehmend zu einer kulturellen Institution und mehr und mehr von Historikern genutzt. Nachdem bereits 1784 der Großrichter Reinhard Terlinden in Soest die „Gesellschaft Patriotischer Freunde und Liebhaber der vaterländischen Geschichte“ gegründet hatte, markieren die Entstehung des „Vereins für Geschichte“ (1881) und des „Vereins Heimatpflege“ (1904) Meilensteine auf dem Weg stadtgeschichtlichen Interesses. Heute fungiert das Stadtarchiv als Geschäftsstelle der inzwischen zum „Geschichtsverein“ fusionierten Institutionen. Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist das Archiv mit der ebenfalls bemerkenswerten „Wissenschaftlichen Stadtbibliothek“ zusammengewachsen. Immerhin seit 1990 ergänzt die Stadtarchäologie unter demselben Dach das „Haus für Stadtgeschichte“.
Nachdem das Archiv Jahrhunderte lang im Rathaus untergebracht war, fand es von 1975 bis 2021 im „Haus zum Spiegel“ eine würdige Unterkunft.
Seit 2021 ist das Stadtarchiv nun unter hervorragenden Bedingungen an der Niederbergheimer Straße in einem Gebäude des Kreises Soest untergebracht. Dort liegt es gemeinsam mit dem Kreisarchiv unter einem Dach und ist daher für die Kundinnen und Kunden beider Einrichtungen komfortabel nutzbar. Der neue gemeinsame Lesesaal ist phantastisch. „Für die Besucherinnen und Besucher, für die Mitarbeitenden, aber nicht zuletzt für das außerordentliche schriftliche kulturelle Erbe der Stadt Soest ist das der Idealzustand“, sagt Peter Wapelhorst, Erster Beigeordneter und Kulturdezernent der Stadt Soest.
Das Stadtarchiv ist eine Einrichtung, die vielfältigen Nutzungen offensteht. Sie ist für Forscher und Wissenschaftler da. Aber keineswegs exklusiv, wie Stadtarchivar und Kulturabteilungsleiter Dr. Norbert Wex betont: „Im Gegenteil: Jede Bürgerin, jeder Bürger kann kommen, suchen, fragen, sich beraten lassen oder Auskünfte einholen - Schülerinnen und Schüler, an Einzelheiten über Häuser oder Straßennamen Interessierte, Familienforscher, Hobby-Historiker, Vereinsmitglieder.“
Bestände:
Archivgut - Akten, Amtsbücher, Urkunden, Sammlungsgut ca. 1.600 lfm Pläne, Karten, Fotos, Glasplattennegative, Plakate, Karteikästen (ohne Zeitungen), 70.000 Fotos, Nachlässe, Vereins- und Firmenschriftgut
Bibliotheksgut - Bücher / Zeitschriften/Zeitungen 2.300 lfm, 70.000 Bücher davon 25.000 Bände vor 1800, 40 mittelalterliche Handschriftenbände, Inkunabeln – 120 Titel in 88 Bänden, alle lokalen Zeitungen von 1819 bis heute (Soester Anzeiger, Kreisblatt, „Der Tag des Herrn“, Westfalenpost…)
Service:
-
Qualifizierte Beratung im Haus – für jedermann und jedefrau!
-
Historische Auskünfte und Recherchen
-
Recherchemöglichkeiten im Lesesaal
-
Bibliothekarischer Freihandbestand
-
Fernleihe
-
Fotokopierer
-
Mikrofilm-, Mikrofiche-Lesegerät und Readerprinter
-
Digitalisierung auf Anforderung
-
Kataloge; Bibliotheksdatenbank
-
Archivdatenbank
-
Der historische Bestand der Stadtbibliothek ist über das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (HBZ) online recherchierbar: http://www.hbz-nrw.de. Oder https://www.soest.de/bildung_kultur/stadtarchiv oder https://www.archive.nrw.de/stadtarchiv-soest
Hier sehen Sie mehrere Fotos bedeutender Archivobjekte sowie des neuen Archivgebäudes. Die Erläuterung zu diesen Bildern finden Sie hier.